Entdecken Sie Sansibar wie ein Einheimischer: Kultur, Alltag und authentische Erlebnisse
- Boutique Hotel Matlai
- 22. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Wenn Reisende an Sansibar denken, kommen ihnen vor allem Luxushotels, romantische Strandurlaube und das türkisfarbene Wasser des Indischen Ozeans in den Sinn. Und ja – diese paradiesische Insel vor der Küste Tansanias ist eines der schönsten Reiseziele Afrikas. Doch nachdem ich drei Monate auf Sansibar gelebt hatte, entdeckte ich eine andere Seite – die der Widerstandsfähigkeit, Gastfreundschaft und tief verwurzelten Traditionen. Dies ist nicht nur das Sansibar der Urlaubspostkarten, sondern das wahre Sansibar, das die Einheimischen ihre Heimat nennen.

Alltag auf Sansibar: Einfachheit, Gemeinschaft und Tradition
"Die Weißen haben die Uhr, aber die Afrikaner haben die Zeit." Dieses gängige Sprichwort beschreibt den Umgang mit der Zeit sehr gut. In Sansibars ländlichen Dörfern verläuft das Leben in einem langsameren, natürlicheren Rhythmus.
Wohnen
Viele Häuser sind aus Stein oder Palmblättern gebaut und haben oft keine Glasfenster. Der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet mit dem Sonnenuntergang gegen 18:30 Uhr. Um 22:00 Uhr ist es in den meisten Häusern ruhig, die Familien schlafen.

Begrüßungen
Auf Sansibar ist ein gängiges Begrüßungsritual ein schöner Ausdruck des Respekts gegenüber Älteren. Der wichtigste Satz, den man kennen sollte, ist „Shikamoo“, mit dem jüngere Menschen ältere Menschen begrüßen.
So funktioniert das Ritual:
„Shikamoo“ (ausgesprochen „Schi-ka-mo“): Dieses Wort bedeutet wörtlich „Ich halte deine Füße“ und ist ein tiefes Zeichen von Demut und Respekt. Es wird verwendet, um Ehrfurcht vor dem Alter und der Weisheit einer Person auszudrücken.
„Marahaba“ (ausgesprochen „ma-ra-ha-ba“): Dies ist die höfliche und herzliche Antwort des Älteren und bedeutet „Ich heiße Sie willkommen“ oder „Ich freue mich“. Damit wird der gezeigte Respekt anerkannt.
Der verbale Austausch wird oft von einem sanften, respektvollen Händedruck begleitet, der für die Dauer des Gesprächs gehalten werden kann. Es gilt als gutes Benehmen, die rechte Hand für den Händedruck zu verwenden.
Das Begrüßungsritual zwischen Gleichaltrigen auf Sansibar ist ein herzlicher und gesprächiger Austausch. Im Gegensatz zur formellen Begrüßung für Ältere ist dies ein mehrstufiger Prozess, der eine echte Verbindung aufbaut.
Die häufigste Begrüßung ist „Habari?“ (ausgesprochen ha-BAH-ree), was „Wie geht es dir?“ oder „Gibt es Neuigkeiten?“ bedeutet. Eine häufige Antwort ist „Nzuri“ (n-ZOO-ree), was „Gut“ bedeutet.
Der Austausch wird normalerweise mit einer Reihe von Anschlussfragen fortgesetzt, um aufrichtiges Interesse zu zeigen. Es gilt als unhöflich, die Begrüßung zu überstürzen.
Im Gespräch werden häufig Fragen gestellt wie:
„Habari za leo?“ (Wie geht es dir heute?)
„Habari za kazi?“ (Wie ist die Arbeit?)
„Habari za familia?“ (Wie geht es der Familie?)
Die Antworten sind normalerweise ein einfaches „Nzuri“ oder „Salama“ (Friedlich).
Dieser verbale Austausch wird immer von einem herzlichen Händedruck begleitet, der eine Weile andauern kann, während die gesamte Begrüßungsserie abgeschlossen wird. Das Ritual ist nicht nur eine Möglichkeit, Hallo zu sagen, sondern auch zu bestätigen, dass es der anderen Person und ihrer Familie gut geht.
Kulturelle Besonderheiten
In der Kultur Sansibars gilt es als unhöflich oder wenig hilfreich, direkt „Ich weiß nicht“ zu sagen, wenn man zum Beispiel nach dem Weg gefragt wird. Stattdessen geben Ihnen die Einheimischen oft eine detaillierte, wenn auch falsche Wegbeschreibung. Dieses Verhalten beruht auf dem Wunsch, entgegenkommend zu sein und Enttäuschungen zu vermeiden. Es gilt oft als gastfreundlicher, Hilfe anzubieten, als zuzugeben, dass man die Antwort nicht weiß. Dies steht im Gegensatz zu Kulturen, in denen ein direktes „Ich weiß nicht“ eine standardmäßige und neutrale Antwort ist.
„Pole pole“ (ausgesprochen poh-lay poh-lay) ist eine Swahili-Redewendung, die wörtlich übersetzt „langsam, langsam“ bedeutet. Es ist jedoch weit mehr als nur eine wörtliche Anweisung; es ist eine zentrale Lebensphilosophie in vielen Teilen Ostafrikas, insbesondere in Orten wie Sansibar und dem tansanischen Festland.
Der Ausdruck verkörpert eine entspannte, geduldige und unbeschwerte Lebenseinstellung. In einer Kultur, in der Zeit oft als fließender Fluss und nicht als eine strenge Abfolge von Fristen betrachtet wird, ist „pole pole“ eine sanfte Erinnerung daran, sich Zeit zu lassen, präsent zu sein und die Dinge Schritt für Schritt anzugehen.
„Pole Pole“ ermutigt die Menschen, Geduld zu üben und Wohlbefinden und soziale Kontakte über Geschwindigkeit und Effizienz zu stellen. Es spiegelt die entspannte Inselatmosphäre perfekt wider.

Grundausstattung
Strom kostet hier je nach Familiengröße zwischen 5.000 und 10.000 Tansania-Schilling pro Woche. Nicht alle Häuser sind an das Stromnetz angeschlossen. Stromausfälle sind häufig, und lokale Unternehmen und Familien verfügen in der Regel nicht über einen Generator.
Gekocht wird mit Gas oder oft auch über offenem Feuer.
Wasser wird häufig aus gemeinsamen Dorfbrunnen oder Gemeinschaftstanks gewonnen. Familien und Nachbarn leben eng zusammen und unterstützen sich gegenseitig – sei es beim Teilen von Lebensmitteln, bei der Kinderbetreuung oder bei der gemeinsamen Feldarbeit.
Die Einheimischen in Sansibar nutzen für ihren Internetzugang vor allem Smartphones und nutzen günstige mobile Datentarife anstelle von WLAN. Diese Telefone sind für den Alltag unverzichtbar, und Plattformen wie WhatsApp und soziale Medien sind für die Kommunikation und kleine Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Dienste wie M-Pesa ermöglichen zudem mobiles Banking und Finanztransaktionen direkt von den Geräten aus.

Fortbewegung in Sansibar: Dala Dala und Boda Boda
Vergessen Sie starre Fahrpläne – der öffentliche Nahverkehr Sansibars ist flexibel und gemeinschaftlich. Die gängigsten Fortbewegungsmittel sind Dala Dala (geteilter Minivan) oder Boda Boda (Motorradtaxi). Für nur ein paar hundert Schilling können Sie überall einsteigen und werden genau dort abgesetzt, wo Sie hin müssen.
Der Verkehr auf Sansibar ist ein einzigartiges und oft chaotisches Erlebnis, insbesondere in den geschäftigen Straßen von Stone Town. Im Gegensatz zum geregelten Verkehrsfluss in vielen westlichen Ländern ist die Navigation auf den Straßen hier ein dynamischer Prozess, für den oft andere Regeln gelten.
Die Dynamik des Verkehrs
Die engen Gassen von Stone Town: In der historischen Stone Town sind die Straßen so eng und kurvenreich, dass sie für Autos weitgehend unzugänglich sind. Der Großteil der Fortbewegung erfolgt zu Fuß, mit dem Fahrrad oder kleinen Motorrädern.
Staus: Auf den Hauptstraßen außerhalb des Stadtzentrums kann es besonders während der Stoßzeiten zu starkem Verkehr kommen. Rechnen Sie damit, dass sich Fahrzeuge, Fußgänger und sogar Tiere im selben Raum aufhalten.
Fahrstil: Der Verkehrsfluss wird nicht immer durch strikte Fahrspuren oder Signale geregelt. Autofahrer sind oft auf ein ständiges, fast intuitives Aushandeln des Abstands zu anderen Fahrzeugen angewiesen, was chaotisch erscheinen kann, für Einheimische jedoch ein funktionierendes System ist.
Auch Fahrräder sind auf der Insel weit verbreitet, während von Ochsen gezogene Wagen heute nur noch in Dörfern zu finden sind; in der Stadt sind sie verboten.

Frauen in Sansibar: Stärke, Rollen und veränderte Perspektiven
In Sansibar bilden Frauen das Rückgrat des Gemeinschaftslebens. Sie dürfen wählen, für Ämter kandidieren und an politischen Debatten teilnehmen – doch die höchsten Führungspositionen sind nach wie vor überwiegend in den Händen von Männern. Abseits der Politik sind ihre Tage ein Balanceakt: Sie müssen den Haushalt führen, Kinder großziehen, kochen und das Familieneinkommen durch Landwirtschaft, Kunsthandwerk, Markthandel oder den Betrieb kleiner Läden aufbessern.
In dieser überwiegend muslimischen Gesellschaft sind Traditionen tief verwurzelt. In manchen Gemeinden ist es immer noch üblich, dass ein Mann mehr als eine Frau hat – eine Praxis, die für manche Frauen Teil ihrer Kultur ist. Doch überall auf der Insel findet eine stille Revolution statt: Frauen gründen eigene Unternehmen, leiten Gemeinschaftsinitiativen und definieren neu, was es bedeutet, eine Sansibar-Frau zu sein. Sie tragen sowohl die Last der Tradition als auch den Drang nach Fortschritt und gestalten Schritt für Schritt die Zukunft der Insel.

Ausbildung
Das Bildungssystem in Sansibar ist kostenlos und bis zur 4. Klasse der Sekundarschule verpflichtend. Es ist stufenweise aufgebaut, von der siebenjährigen Grundschule bis zur vierjährigen Sekundarschule. Eine große Herausforderung für die Schüler ist der Sprachwechsel: In der Grundschule wird auf Kiswahili unterrichtet, ab der 5. Klasse wechselt der Unterricht jedoch auf Englisch. Überfüllte Klassenzimmer und ein Mangel an qualifizierten Lehrkräften bereiten dem System weitere Schwierigkeiten.
Politik in Sansibar: So funktioniert es
Sansibar gehört zu Tansania, genießt jedoch einen halbautonomen Status mit eigenem Präsidenten und Repräsentantenhaus. Präsidentin Tansanias ist derzeit Samia Suluhu Hassan – die erste Staatschefin des Landes –, während Präsident Sansibars Dr. Hussein Ali Mwinyi ist, der 2020 gewählt wurde. Wahlen finden alle fünf Jahre statt. Während das politische Leben im Allgemeinen friedlich verläuft, kann es während des Wahlkampfs zu kleineren Spannungen zwischen Anhängern der Regierungspartei (CCM) und der Opposition kommen, insbesondere aufgrund umstrittener Ergebnisse. Diese Streitigkeiten sind jedoch in der Regel nur von kurzer Dauer, und das tägliche Leben geht weitgehend normal weiter.

Sansibars Kultur: Musik, Sport & Glaube
Der Islam prägt den Alltag in Sansibar – vom Gebetsruf bis hin zu den gemeinschaftlichen Werten. Religiöse Feste wie das Fastenbrechen (Eid al-Fitr) bringen Nachbarn zu großzügigen Feiern, gemeinsamen Mahlzeiten und Familientreffen zusammen.
Musik ist überall:
Taarab vereint arabische, indische und Swahili-Einflüsse.
Kidumbak bringt rasante Rhythmen auf Dorffeste.
Bongo Flava, Tansanias Hip-Hop/Pop-Sound, füllt Geschäfte, Strände und Dala Dalas.

Sport ist ebenso präsent – Fußball ist mit Abstand der beliebteste Sport der Insel, und die Einheimischen unterstützen leidenschaftlich europäische Mannschaften wie Bayern München, Real Madrid und Chelsea. Sie werden oft Gruppen sehen, die sich um kleine Fernseher am Straßenrand versammeln, um Spiele zu verfolgen, manchmal in Cafés oder sogar im Freien. Am späten Nachmittag, besonders vor Sonnenuntergang, erwachen die Strände zu Leben und es finden Barfußspiele statt – Kinder, Jugendliche und sogar Erwachsene spielen Fußball im Sand, ihr Lachen vermischt sich mit dem Rauschen der Wellen. Es ist ein tägliches Ritual, das das Gemeinschaftsgefühl und die Freude der Insel perfekt widerspiegelt. An der Südostküste, besonders in Paje, zieht Kitesurfen sowohl Einheimische als auch Reisende an, während Trommelkreise und Akrobatikshows Sonnenuntergänge oft in unvergessliche kulturelle Erlebnisse verwandeln.

Abseits der Touristenströme erleben Sie die wahre Wärme, den Gemeinschaftsgeist und die authentische Swahili-Kultur der Insel. Mischen Sie sich unter die Einheimischen und spüren Sie den wahren Herzschlag Sansibars – etwas, das kein Luxusprospekt einfangen kann.
Geschrieben von Cassandre Clech – Praktikantin in Matlai




Kommentare